Eine Woche Pause in San Cristóbal de las Casas

Sälü Zäme,

Es war Zeit für eine Pause. Für diese Woche gibt es keine Bilder. Meine Sony-Kamera ist kaputt, ich werde ein letzter Versuch machen, sie zu reparieren. Ich habe seltsame Dinge in San Cristóbal erlebt und ich denke, Bilder sind diesmal nicht nötig, um die Geschichte zu erzählen.

Montag:

Die erste Nacht in San Cristóbal war sehr gut. Ich habe eine Auswahl mexikanischer Alkohole probiert. Mescal und Pox sind starke Alkohole. Die Qualität ist sehr hoch, der Kater nach dieser Nacht hat keine Kopfschmerzen verursacht. Der Tequila in Europa sollte nicht getrunken werden, es ist Alkohol aus dem Geschmackslabor und enthält keine Agave. Der Tequila in Mexiko hat viele Variationen und Geschmacksrichtungen. Nach dieser Nacht habe ich den Tag mit einfachen Arbeiten verbracht. Ich kochte eine große Portion Nudeln mit Tomatensoße und putzte meinen Raum, den ich umsonst nutzen kann. Das Zimmer ist zum größten Teil sauber und es gibt keine unbekannten Tiere oder Insekten, die mich in der Nacht überraschen könnten. David, einer der Radfahrer, blieb nur für eine Nacht und reiste im Laufe des Tages ab.

Am Abend bemerkte ich, dass ich noch zwei Sandwiches übrig hatte. Sie waren vom Vorabend. Langsam kamen die Erinnerungen zurück. Ich war am Abend zuvor mit spanisch sprechenden Touristen in einem anderen Hostel. Und ließ dem Konsum seinen freien Lauf.

Die Gitarristen vom Vorabend, Mariana aus Uruguay und Ricardo aus Mexiko, spielten heute in einer anderen Bar und ich ging mit Gustav, einem jungen Radreisenden, in die Bar. Nach ein oder zwei Liedern kamen die spanischen Touristen vom Vorabend und ich hatte das Gefühl, dass ich die Leute kannte.

Ich verbrachte einen zweiten Abend des Konsums, aber dieses Mal war ich etwas bescheidener als am Abend zuvor. Der Abend war wieder ausgezeichnet. Nur fing ich an, mich mit einem Franzosen zu streiten. Ich bin nicht gegen Corona geimpft und die Veränderung des Gesichtsausdrucks kränkte mich.

Dienstag:

Der Tag sollte etwas entspannter werden als die beiden Nächte zuvor. Heute habe ich Alfredo ein wenig näher kennengelernt. Er gehört zu den Besitzern der Herberge, ich habe ihn gefragt, ob ich ihm bei etwas helfen kann. Er hat ein Zaumzeug zu bemalen und ich habe zugestimmt, es zu bemalen. Leider hatte ich meine sauberen Sachen an. Der Zaun war um sein Haus herum und ziemlich lang. Ich fing an, das Tor zu streichen, aber nach etwa zehn Minuten. Alfredo bot mir einen Kaffee Liqueur an und zeigte mir sein Haus. Seine Familie ist eine der Gründerfamilien von San Cristóbal und das ganze Viertel war in deren Besitz. Wenn ich richtig verstanden habe, ist der Musiker José Feliciano mit Alfredo verwandt. José Feliciano ist mit dem Lied Que Sera bekannt. Ich wollte heute nichts trinken, aber Alfredo gab mir zusätzlich zum Kaffeelikör ein Eierlikör und ein Sandwich. Ich wollte alle psychoaktiven Substanzen ausschwitzen, aber ich kann das Leben ein paar Tage lang genießen. Das Haus von Alfredo war voll mit antiken Gegenständen und Kunst. Ich habe viel Zeit damit verbracht, mir die Dekorationen anzusehen. Alfredo ist mit der ständigen Verbesserung, Reparatur und Instandhaltung des Viertels beschäftigt. Allerdings hat er nicht mehr die Kraft eines jungen Mannes und ich kann ihm bei den schweren Sachen ein wenig helfen. Am Abend bin ich früh ins Bett gegangen, um gut zu schlafen.

Mittwoch:

Heute wollte ich Alfredo helfen. Ich dachte, dass ich seinen Zaun streichen würde. Aber Alfredo musste etwas einkaufen und der Plan für den Tag war ein wenig anders. Er zeigte mir San Cristóbal, vor allem die Grundstücke seiner Familie und er stellte mir einige seiner Familienmitglieder vor. Auf einer im Bau befindlichen Straße hatte sich ein Stein gelöst und den Frontspoiler seines Autos verformt.

Er hilft bei der Organisation eines Autofestivals und macht es sich zur Aufgabe, die Leute mit einem einfachen Flugblatt einzuladen. Vor allem Menschen mit dem nötigen Wohlstand waren das Ziel seiner Kampagne. Ich lernte von ihm die Umgangsformen mit den Mexikanern. Wie man die Leute begrüßt und welche Fragen man im Smalltalk stellen kann. Ich war sehr aufmerksam und verbesserte mein Gehör für die spanische Sprache. Der Tag war anstrengend, aber ich habe Fortschritte in der Sprache gemacht.

Am Abend bin ich kurz in die Bar Axelote gegangen und bei Omar bekomme ich Mescal und Pox zu günstigen Preisen. Aber es war nicht viel los und ich trank zwei Shots. In der nächsten Bar gab es ein Amateurkonzert. Eine Frau hatte eine gute Stimme, ähnlich der von Amy Winehouse.

Zum Schluss besuchte ich zum dritten Mal ein Konzert von Mariana und Ricardo. Der Abend im Mayáhuel war sehr lustig. Neben den beiden hatte eine Dragqueen einen Auftritt. Ich war weniger an diesem Auftritt interessiert, weil mein Spanisch zu schwach war. Aber der Mann machte sich über Frauen lustig und war im Grunde ein Clown. Ich habe nur mitbekommen, dass er seine Sache gut gemacht hat. Im Hinterzimmer des Restaurants traf ich einen Deutschen, der mit seinem Kumpel Birnen schnitt, um daraus Schnaps zu machen. Von ihm erhielt ich einen selbstgemachten Honigwein. Ich war gut gelaunt und unterhielt mich mit der Dragqueen. Er konnte Französisch und war auch bei der Stadt Foix. Das reichte mir für eine Freundschaft. Ich hatte einen ausgezeichneten alkoholischen Abend. 

Donnerstag:

Ich musste ausschlafen und meine Kleider mussten gewaschen werden. Ich ging in die Hostelküche und machte mir etwas zu essen. Während ich kochte, kam Alfredo und lud mich ein, nach Tuxla zu gehen. Ich willigte ein, musste aber erst meine Mahlzeit beenden. In diesem Moment war mir nicht klar, worauf ich mich da einließ. Die Kommunikation war nicht sehr gut, und der Rausch des Vorabends hatte mein Urteilsvermögen getrübt. Als ich mit dem Essen fertig war, war er bereit zu gehen, und ich nahm nur das Nötigste mit. Ich hatte sogar mein Handy in der Ladestation vergessen.

Ich fuhr zusammen mit Alfredo nach Tuxla. Ich hörte mir seine Anekdoten an, nickte zustimmend und versuchte, ihn zu verstehen. Tuxla war 80 km entfernt und die Fahrt dauerte etwas weniger als eine Stunde. Dort angekommen, zeigte er mir seine Grundstücke und die Garage seines Sohnes. Und er wollte den Frontspoiler reparieren lassen, der am Vortag beschädigt worden war. Die Mechaniker konnten das nicht reparieren und hatten andere Dinge zu tun. Dann zeigte mir Alfredo das Haus in den Bergen von Tuxla und da wurde mir langsam klar, dass Alfredo nicht nach San Cristóbal zurückkehren würde. Ich kaufte mir etwas zum Abendessen. Und wir gingen zu dem Haus in den Bergen. Es hatte einen großen Garten und es wurde schon dunkel. Der Nachbar kam zu Hilfe, der auch ein Angestellter von Alfredo war. Gemeinsam luden wir Alfredos Auto aus. Er hatte Stangen für ein größeres Zelt dabei. Das Haus war sehr klein und unbenutzt. In diesem Moment wurde mir endgültig klar, dass ich die Nacht hier mit dem Verrückten verbringen musste. Er sagte, er wolle schlafen gehen und ich wollte die Nacht im Auto verbringen.

Er bestand darauf, in seinem Bett zu schlafen, ich hatte bereits Erfahrung in dieser Richtung und meine Toleranz und Geduld wurde auf die Probe gestellt. Er hatte neben dem Bett einen Sessel, wo er sich zum Schlafen hinlegte und ich sollte im Bett schlafen. Ich war es leid, ihm zuzuhören. Ich lag im Bett mit meinen Klamotten, die ich schon zu lange anhatte. Das Bett war wahrscheinlich der unhygienischste Ort, an dem ich geschlafen hatte. Das Haus war lange Zeit unbenutzt gewesen und das Bett war voller Rattenscheiße.
Ich war geistig ausgelaugt und reinigte das Bett so gut ich konnte. Ich habe sogar ein paar Stunden im Bett geschlafen. Aber das Schnarchen von Alfredo hat mich geweckt und ich bin dann ins Auto gegangen. 

Freitag:

Ich hatte genug von Alfredo, dem schlechtesten Gastgeber den ich je hatte. Um sechs Uhr begann der Tag etwas müde bekam ich einen Kaffee von dem Nachbarn von Alfredo. Wir holten uns zuerst ein Früchstük. Tortillias mit knusprig gebratenem Speck war sehr lecker. Das Wasser im Haus funktionierte nicht. Meine maximale Toleranz für Schmutz war schon überschritten. Ich habe von Alfredo eine neue Zahnbürste bekommen, so war wenigstens mein Mund sauber. Heute will ich zurück nach San Cristóbal, ich habe genug von Alfredo, aber ich werde abwarten und sehen, wie sich der Tag entwickelt. Der Morgen war gut. Alfredo war nüchtern und angenehm. Den ganzen Tag über war ich nicht sein Gast, sondern sein Handlanger. Er bot mir ein T-Shirt mit dem Logo der Werkstatt an, aber ich lehnte ab. Auf dem Tagesprogramm stand das Verteilen von Flyern für das Autofestival. Er ist auch ein extrem gefährlicher Fahrer. Auf dem Weg bergab sahen wir einen schönen VW-Käfer mit der Aufschrift Wolfs Wagen. Alfredo überholte das Auto und gab dem Fahrer ein Zeichen zum Anhalten. Mitten auf der Straße warb er für das Festival.  Mein Gehör für die spanische Sprache und die spanischen Umgangsformen wurde wieder verbessert.Ich hatte mich nur auf die Sprache konzentriert, weil ich mein Handy in dem Hostel vergessen hatte.

Alfredo ging in die Werkstatt seines Sohnes und holte verschiedene Trophäen ab, um Eindruck zu schinden. Schließlich gingen wir zu den wichtigen Leuten.
Die wichtigste Person befand sich im Privatsekretariat des Präsidialamtes von Tuxla. Ich fand es eigentlich lustig, dass ich nach einer Nacht in einem Bett voll mit Rattenscheiße die höchsten Ämter von Tuxla besuchte. Von nun an werde ich mich jedes Mal in die Scheiße wühlen, bevor ich zu den hohen Politikern gehe. Dann werde ich dort akzeptiert . Ich weiß nicht genau, was ich von dieser Situation halten soll. Ich finde das Leben kann seltsam sein.

Nach dem hohen Besuch ließ ich eine der Trophäen auf den Boden fallen. Die Glastrophäe zerbrach in drei Teile. Alfredo übernahm nicht die Verantwortung und ich musste Superkleber bezahlen, um die Trophäe zu reparieren. Aber das war nur das Geringste des schlechten Gastgebers. Die Trinkerei begann. Mir war nicht nach Trinken zumute, aber um den Tag erträglicher zu machen, trank ich ein wenig.

Ich war den ganzen Tag über kein Gast, sondern ein Handlanger. Eine Sache, die man von Alfredo lernen kann, ist, warum die Reichen reich sind. Ich habe umsonst "gearbeitet" und musste die meisten notwendigen Dinge selbst bezahlen. Er hatte mich als Thema benutzt, um die Leute ins Gespräch zu bringen. Und das Schlimmste war der Besuch bei der Familie von Sohn Eric. Erik und seine Frau haben zwei kleine Töchter, Alfredos Frau war zu Gast und ich wusste, dass sie Eheprobleme hatten. Mein Spanisch war gut genug, um das Drama zu verstehen, das folgte. Alferdo sagte auf Spanisch, dass er es toll fand, dass ich ohne zu zögern mitkam und sogar mein Handy zurückließ. Dann deutete er auf seine Frau und sagte. Nicht so wie du, die die ganze Zeit mit dem Handy beschäftigt ist. Er hat mich also benutzt, um seine Frau verbal anzugreifen. Das war die schlimmste Aktion und der Grund dafür war der Alkohol, den er getrunken hatte. 
Ich hatte genug und meine nächste Aktion war, nach San Cristóbal zurückzukehren. Das Problem war, dass ich von Alfredo abhängig war. Nach einem letzten Besuch in der Werkstatt packte er einen Liegestuhl für meine nächste Übernachtung ein. In mir kam der Drang auf, den Mann zu erwürgen. Auf der nächsten Autofahrt sagte ich etwa zwanzig Mal, dass ich zurück nach San Cristóbal wollte, nur um sicher zu gehen, dass er mich richtig verstanden hatte. Dann war da noch die Unverschämtheit, dass er mich um Geld für Benzin bat. Das habe ich natürlich bezahlt, denn ich wollte dem alten Betrunkenen keinen Grund geben, sich mit mir zu streiten. Schließlich fuhr er mich zum Busbahnhof, aber nicht ohne mich zu fragen, ob wir zusammen etwas essen sollten. Ich hatte wieder den Moment, den alten Jungen zu erwürgen. Und sagte ihm, dass ich keinen Hunger habe.

Schließlich verabschiedeten wir uns am Busbahnhof und ich konnte durchatmen. Gegen neun Uhr abends erreichte ich das Hostel und ich konnte duschen.

Samstag:

Die zwei Tage waren hart und ich konnte endlich den ersten Temazcal in Mexiko genießen. Jeden Samstag wird die Zeremonie durchgeführt. Die heilige Stätte befand sich in der Nähe meines Hostels. Meine erste Erfahrung mit Temazcal war auf dem Hippie-Festival Beglika und jetzt kann ich es hier in Mexiko erleben. Es war vor allem ein Reinigungsprozess für den Körper, und den hatte ich bitter nötig.

Die Zeremonie war meiner Erfahrung auf dem Beglika-Festival sehr ähnlich. Es gab nur kleine Unterschiede. Ein Temazcal ist eine Zeremonie, bei der man sich in einer Schwitzhütte befindet. Das Zelt ist auf traditionelle Weise aus biegsamen Ästen gebaut. Die Zeltplanen bestehen aus dicken Decken mit schönen Motiven. Eine bestimmte Anzahl von Steinen wurde in einem Feuer erhitzt. Es gab eine Reihe von Prozessionen und Gesängen. Die Zeremonie dauerte den ganzen Nachmittag. Die Atmosphäre war entspannt und die Teilnehmer kamen aus der ganzen Welt. Man unterhielt sich und lernte sich kennen, bis die Steine heiß wurden. Wenn alles bereit war, ging man ins Zelt und die heißen Steine wurden in vier Phasen ins Innere des Zeltes gebracht. In der Mitte des Zeltes befindet sich ein passendes Loch für die heißen Steine. Jede Phase dauerte etwa zehn Minuten und zwischen den Phasen wird das Zelt geöffnet, um frische Luft hereinzulassen. Auf meiner Reise durch Yucatan und Campeche habe ich meine Hitzeresistenz stark erhöht, und ich empfand den Temazcal als sehr angenehm. Am Ende der vierten Phase wurden die Steine mit viel Wasser übergossen und der Dampf an der Zeltdecke war heiß genug, um die Haut zu verbrennen. Man muss nur den Kopf tief halten, um sich nicht zu verbrennen.

Nach den vier Phasen konnte man sich im Fluss abkühlen. Bei mir wurde eine komplette Hautschicht entfernt und ich fühlte mich bis zu den Muscheln sauber. Dann ging ich mit einem Amerikaner und zwei Finninnen in ein koreanisches Restaurant. Danach war ich sehr müde und ging früh ins Bett.

Sonntag:

Nach einer Woche Touristenleben, Alkohol und Sandwiches wird es jetzt wieder ernst. Der Temazcal vom Vortag hat die Kraft meines Gemüts zu Höchstleistungen gebracht. Schon nach ein paar Stunden Schlaf war ich hellwach und ich senntierte über die letzten paar Tage. Das Verhalten von Alfredo war extrem respektlos. Ich werde meine Erfahrungen mit ihm schildern und ich werde es auf Spanisch tun. Ich hatte bis jetzt die schlimmsten Erfahrungen mit reichen Leuten. Ich bin jetzt wieder unabhängig und ich habe meine Analyse der Erlebnisse mittels rationaler Überlegungen abgeschlossen. Bevor ich weiterreise, muss ich Alfredo sein Verhalten begreiflich machen und er ist ein betrügerischer, geiziger, egozentrischer und mit vielen anderen Adjektiven behafteter Alkoholiker. Ich habe jeden Respekt vor ihm verloren, als ich anfing, ihn zu verstehen. Mein Spanisch hat sich in der Zeit mit Alfredo stark verbessert, weil es ein extremes Erlebnis war.

Der Sonntag ist ein Arbeitstag. Ein Tag mit viel Kaffee und Schreiben.

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